Am vergangenen Wochenende fand in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden ein außergewöhnliches Karate-Event statt. Obwohl die wichtigsten japanischen Meister des traditionellen Shotokan Karate weit über ihre Verbandsgrenzen hinaus bekannt sind, besteht für Karateka kaum eine Möglichkeit, von Meistern anderer Verbände zu lernen. Doch nun trafen sich die weltbekannten Instruktoren der größten und wichtigsten Verbände Shotokan Karate International (SKI) und Japan Karate Association (JKA) zum Takudai Seminar. Gemeinsamer Nenner dieses bemerkenswerten Events war die renommierte Takushoku Universität in Tokio, an der das traditionelle Shotokan Karate gelehrt wird und an der alle Meister ausgebildet wurden.
Auf Einladung von Nagai Akio Shihan (8. Dan), Bundestrainer des deutschen Verbandes SKID, waren gekommen: vom SKI Europa Cheftrainer Hanshi Asano Shiro (9. Dan) sowie der mehrfache Weltmeister Manabu Murakami 7. Dan, und von der JKA Naka Tatsuya Shihan (7. Dan) und Nakayama Takeo (5. Dan), Leiter des Hombu Dojo in Japan und eigens zum Seminar angereist. Insbesondere der charismatische Naka Tatsuya dürfte auch vielen Nicht-Karateka als Hauptdarsteller in Martial-Arts-Filmen ein Begriff sein. So zum Beispiel High Kick Girl aus dem Jahre 2009 oder Kuro-Obi (Black Belt) aus 2007, der unter Karateka besonders beliebt ist, weil er authentisches Karate in Reinform zeigt und ohne die bei Fimen sonst üblichen Tricks aufgenommen wurde. Zahlreiche Teilnehmer des Takudai Seminars nutzten so auch die Gunst der Stunde, um sich ihre Karatebücher signieren und sich mit ihren Vorbildern fotografieren zu lassen.
Auch Dojoleiter Markus Boy (3. Dan), Leiter des aus fünf Karateabteilungen im Münsterland vertretenen Dojo Kamakura, hat sich mit Schülern aus Telgte, Handorf, Einen und Wolbeck auf den Weg gemacht, um dieses Karate Highlight mitzuerleben. Das dreitägige Training begann noch am Freitag Abend direkt nach der Anreise und wurde bis Sonntag in vier Einheiten aus Kihon (Grundschule), Kata (Formenlauf) und Kumite (Freikampf) fortgeführt. Neben den Karateka von Kamakura waren rund 400 Teilnehmer aus ganz Europa angereist, darunter auch mehrere Nationalteams. Stark vertreten waren Belgien, die Schweiz und England, aber auch viele in Europa lebende Japaner wollten sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen und waren angereist, um die weltbekannten Instruktoren hautnah zu erleben und Kontakte zu anderen Karateka zu knüpfen.
In einer tollen Atmosphäre wie man sie sonst nur auf internationalen Wettkämpfen erleben kann, gaben die Instruktoren in vier Trainingseinheiten von jeweils zwei Stunden ihr Wissen weiter. Es wurde demonstriert, wie man den eigenen Körper um verschiedene Rotationsachsen drehen lässt und dabei den Körperschwerpunkt so verlagert, dass jede Phase der Bewegung optimiert wird. Während am Anfang einer Karatetechnik Schnelligkeit und Reichweite maximiert werden, muss im letzten Moment die gesamte Körperenergie in einem Punkt konzentriert werden. Der korrekte Stand, die richtige Verlagerung des Schwerpunktes, das Timing beim Verriegeln der Hüfte müssen perfekt zusammenspielen, Atmung und Timing genau stimmen. Die münsterländer Karateka um Markus Boy Sensei durften aus wenigen Metern beobachten, wie die Karate-Meister des SKI und JKA das Gelehrte immer wieder mit unglaublicher Geschwindigkeit, Kraft und Präzision demonstrierten, und dies scheinbar völlig anstrengungslos.
Die Trainings wurden durch einen übergreifenden Leitfaden verbunden: Zunächst zerlegten die Instruktoren einzelne Karatetechniken in ihre Grundelemente, wobei sie die Funktion jedes Elements ausführlich demonstrierten und dann üben ließen. Danach kombinierten sie mehrere Techniken zu immer komplexeren Abläufen, die die Teilnehmer zuerst langsam, dann immer schneller und kraftvoller trainierten. Die Meister gingen dabei immer wieder durch die Reihen, korrigierten einzelne Teilnehmer und gaben Tipps. Immer wieder banden sie auch Elemente verschiedener Kata in die Übungen ein und erklärten deren Bedeutung und Anwendung im Kampf. Sodann wurden die Abläufe mit wechselnden Partnern trainiert, um das Auge und Timing zu üben. Dann mussten die Teilnehmer das Gelernte zunächst in verschiedenen Kata zeigen, wobei die Meister wiederum viele Hinweise gaben. Gegen Ende des Takudai Seminars bekamen die Teilnehmer dann Gelegenheit, das Gelernte im Freikampf mit verschiedenen Partnern zu üben.
Nach zwei anspruchsvollen Trainingseinheiten am Samstag traf man sich am Abend zum gemütlichen Beisammensein im Brauhaus, wo man bei leckerem Essen die neuen Trainingseindrücke und Erfahrungen des vorerst letzten Shotokan Takudai Seminars austauschte, wobei auch die eine oder andere neue Freundschaft geschlossen wurde. Nachdem die japanischen Gastgeber nach dem Essen mit einigen Gesangseinlagen vorgelegt hatten, ließen es sich die Schüler nicht nehmen, den Meistern des Shotokan Karate ihrerseits durch verschiedene Spontanvorführungen ihren Respekt zu zollen. Das Spektrum erstreckte sich von Karate-Slapstick a la Charlie Chaplin, über schwäbisch-alemannische Zickezacke-Rufe, englische Trinklieder bis zu opernreifen Darbietungen klassischer Musik. Die japanischen Meister waren von den vielfältigen Talenten ihrer Schüler sichtlich begeistert, und bedankten sich am Sonntag Morgen mit der vierten und letzten Training, worauf sie mit einem donnernden Applaus verabschiedet wurden. Am frühen Nachmittag traten auch die Karateka von Kamakura erschöpft, aber zufrieden die Heimreise an.
Das Dojo Kamakura richtet im Oktober in der Bundeswehrsportschule in Warendorf die 41. Deutsche Meisterschaft anlässlich des 35jährigen Jubiläum des Dojo aus. Dieses Ereignis mit einer Fülle von vielen zu erledigten Punkten, wird zur Zeit von der Oberstufe vorbereitet und ausgearbeitet.